Die Gemeinde
Die Geschichte von Simmern / WW
In einer auf Mai 1198 datierten Urkunde findet sich die erste schriftliche Überlieferung sowohl des ehemaligen rechtsrheinischen Koblenzer Stadtwaldes (partem marchie nostre) [1] als auch der Ortsgemeinde Simmern (iuxta Sevenburnen). Die 800jährige Wiederkehr dieser Quellenangabe wurde im Erinnerungs- und Jubiläumsjahr 1998 von den Simmerner Bürgerinnen und Bürgern mit vielen Festveranstaltungen, u.a. mit einem Festkommers (13.06.) und einem Handwerker- und Bauernmarkt (14. 06.), in besonderer Weise gefeiert.
Mit Hilfe der Archäologie und Ortsnamenforschung kann Entstehung und Entwicklung des am südwestlichen Rand des Westerwaldes in einer Höhe von 250-300 m über dem Meeresspiegel gelegenen Dorfes Simmern jedoch mindestens bis auf das Jahr 800 zurückverfolgt werden. Es handelt sich um eine ursprünglich in sieben Quellen bzw. Brunnen verankerte Rodungssiedlung mit Einzelhöfen, was auch im Simmerner Ortswappen dokumentiert ist (Wellenpfahl mit den sieben Wellenzinnen).
Aus einer noch früheren Zeit stammen Spuren menschlichen Wirkens innerhalb der Simmerner Gemarkung, so: die über 100.000 Jahre alten Steinwerkzeuge des Neandertalers; eine kleine Siedlungsstelle der älteren Jungsteinzeit, etwa aus dem 5. Jahrtausend vor Christus; keltische Hügelgräber aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. in den beiden Flurbereichen „Eisenköppel“ und „Nonnenheck“; ein römischer Gutshof, der Funde aus dem 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. hinterlassen hat (östlich des ehemaligen Naturdenkmals „Dicke Buche“) und dessen Steine von den Simmerner Bauern im Mittelalter für ihre eigenen Zwecke verwertet wurden.
Älter als 1198 ist also der (beim Fall des Limes um 260 n. Chr. aufgegebene) römische Hof; älter als 1198 sind aber auch noch vier weitere Höfe: der auf dem „Bollert“ (Bolvenrod) gelegene fränkische Gutshof der Schönstätter Nonnen (der spätere Barbarahof); der Deutschordenshof (Hof Siebenborn); der Oberwerther Hof des Benediktinerinnenklosters auf Koblenz-Oberwerth, der zeitweise an das Kloster Besselich verpachtet worden war; der Wildhof/Isenburgische/Kürfürstliche Hof. In späterer Zeit besaßen Güter in der Simmerner Gemarkung sowohl die beiden Klöster Niederwerth und Besselich als auch die Abtei Marienstatt; im 17. Jahrhundert kam außerdem das Jesuitenkolleg in Koblenz mit Äckern und Wiesen hinzu. Noch im Jahre 1684 gab es in Simmern lediglich 8 Feuerstellen = bewohnte Häuser. Im Jahre 1787 verfügte Simmern über 135 Einwohner, unter ihnen den Pächter Heinrich Schneider, der im Zweiten Koalitionskrieg gegen Napoleon seinen Barbarahof gegen plündernde französische Soldaten zu verteidigen suchte und am 16. Januar 1799 den in diesem Zusammenhang zugezogenen Verletzungen erlag (an seinen Wunden verstarb).
Der „Blick“ Simmerns war lange Zeit nach Südwesten ausgerichtet. Zum einen gelangte 1018 der Königshof Koblenz als königliche Schenkung an das Erzstift und Kurfürstentum Trier, u.a. mit Niederberg, in dessen Pfarrei sich Simmern zumindest bis 1815/16 befand. Zum andern gehörte Simmern bis 1802 zu dem erstmals 1293 mit Amtmännern nachgewiesenen (kur)trierischen AmtEhrenbreitstein.
Mit den zwischen Preußen und Nassau abgeschlossenen Staatsverträgen vom 31. Mai 1815 und 23. August 1816 endete die Übergangszeit seit 1803, in der die Pfarrei Niederberg mit der kleinen Bauerngemeinde Simmern (215 Einwohner) unter nassauischer Verwaltung stand: Niederberg fiel an Preußen, Simmern blieb nassauisch (im nassauischen Amt Montabaur) und wurde Grenzort. Die neue Landesgrenze, heute z. T. noch sichtbar an einer ganzen Reihe von Grenzsteinen zwischen dem Herzogtum Nassau (HN) und dem Königreich Preußen (KP), beispielsweise auf dem Hümmerich, am Meerkatzbach und an der Kreisstraße 113 und 115, hatte die in rund 800 Jahren gewachsene Bindung zwischen Simmern und Niederberg zerschnitten.
Das Herzogtum Nassau, bestehend aus „willkürlich zusammengeworfenen Landestrümmern“ (Heinrich von Treitschke), nahm im Jahre 1815 die 12. Stelle unter den 39 Staaten des Deutschen Bundes ein und galt als ein Gebilde auf der Grenze zwischen einem Mittel- und einem Kleinstaat. Der Deutsche Bund (1815-1866) stand in seiner Verfassung dem Rheinbund (1806) näher als dem monströsen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation mit seinen über 300 reichsunmittelbaren Herrschaften.
Eine päpstliche Bulle von 1821 führte zur Schaffung des nassauischen Landesbistums Limburg (1827); dieses war nunmehr zuständig für alle Katholiken des Herzogtums Nassau und der Freien Stadt Frankfurt a. M. Seine Zuständigkeit erstreckte sich natürlich auch auf Simmern, dessen seelsorgische Betreuung der Hillscheider Pfarrer ab 1. Januar 1820 zu übernehmen hatte (dagegen wehrten sich die Simmerner noch viele Jahre!) und das, kirchlich gesehen, im Jahre 1827 endgültig unter die Leitung des neuen Bistums kam. Den Simmerner war fortan verwehrt, sich in kirchlichen Angelegenheiten, wie seit alters her, an Niederberg zu wenden oder gar dort den Gottesdienst zu besuchen, zumal das inzwischen preußisch gewordene Niederberg im Bistum Trier lag.
Nach vielerlei Streitigkeiten wurde Simmern als selbständige Kapellengemeinde (1899) der im Jahre 1896 errichteten Expositur Neuhäusel, der späteren Pfarrei Neuhäusel, beigegeben. Simmerns bisheriger südwestlicher geistlicher „Blickwinkel“ (Trier, Niederberg) verschob sich nunmehr nach Osten (Limburg, Neuhäusel), und zwar, trotz gelegentlicher Sonderbestrebungen (beispielsweise Wunsch nach einer eigenen Pfarrei), bis auf den heutigen Tag. Im Übrigen hatte Simmern die von Nicolaus Schneider (Barbarahof) gesponserte und 1881 in Gegenwart des späteren Domdekans Dr. theol. Georg Hilpisch (ein Simmerner Kind!) eingeweihte St. Rochuskirche erhalten (1882: 392 Einwohner).
Aus der „Schul-Chronik von der Elementarschule zu Simmern“ erfahren wir, was Simmerns nassauische Zeit angeht, dass diese Schule im Jahre 1821 insgesamt 38 Kinder besuchten; 1841 waren es 57 und 1861 insgesamt 54 Schulkinder. Ein besonders langwieriger Kälteeinbruch wurde in dieser Schulchronik u.a. wie folgt dokumentiert: „Der Winter 1844/45 war so anhaltend und streng kalt, dass von der jetzt lebenden Generation sich Niemand erinnert, einen solchen erlebt zu haben. In Folge dieses Winters, der ein stärkeres Einheizen bedingte, war schon mit der Hälfte des Monats Febr[uar] das vorhandene Schulholz aufgebrannt.“
Als Bundesgenosse Österreichs verlor Herzog Adolph von Nassau im Jahre 1866 sein Herzogtum an den preußischen Sieger. Es kam zum Königreich Preußen und bildete künftig, mit der ehemaligen Freien Stadt Frankfurt a. M. und einigen kleineren hessischen Territorien, den Regierungsbezirk Wiesbaden innerhalb der Provinz Hessen-Nassau (Sitz des Oberpräsidenten dieser preußischen Provinz (bis 1944!) in Kassel). Simmern, zunächst (kur) trierisch bis 1802 und dann nassauisch bis 1866, wird nunmehr preußisch (bis 1945).
Die Verwaltung wurde der preußischen angeglichen. Bereits im Jahre 1867 traten Landkreise mit Landräten ins Leben, so der Regierungsbezirk Wiesbaden mit 10 Landkreisen (und 2 Stadtkreisen), darunter der Oberwesterwaldkreis mit den Ämtern Marienberg (dort auch Sitz des Landrats), Hachenburg und Rennerod sowie der Unterwesterwaldkreis mit den Ämtern Montabaur (dort auch Sitz des Landrats; mit Simmern, Selters und Wallmerod). Die Ämter blieben als untergeordnete Verwaltungsbezirke vorerst bestehen. Völlig beseitigt wurde die nassauische Amtsverfassung durch die Kreisordnung für die preußische Provinz Hessen-Nassau, wozu auch der Regierungsbezirk Wiesbaden gehörte (7. Juni 1885). Als neue Gebilde entstanden u.a.: der Kreis Westerburg (Sitz des Landrats in Westerburg) aus den bisherigen Ämtern Rennerod und Wallmerod; der Oberwesterwaldkreis (Sitz des Landrats in Marienberg) aus den bisherigen Ämtern Marienberg und Hachenburg sowie den 4 Gemeinden Dreifelden, Linden, Schmidthahn und Steinebach aus dem bisherigen Amt Selters; der Unterwesterwaldkreis (Sitz des Landrats in Montabaur) aus den bisherigen Ämtern Montabaur (mit Simmern und Selters), abgesehen von den zum Oberwesterwaldkreis gekommenen 4 Gemeinden Dreifelden, Linden, Schmidthahn und Steinebach.
Aus der „Schul-Chronik der Elementarschule zu Simmern“ erfahren wir, dass die Schule im Jahre 1881 insgesamt 82 Kinder und im Jahre 1919 insgesamt 95 Kinder besuchten. Diese hohen Zahlen konnten jedoch nicht gehalten werden: 1930/31 (69), 1938/39 (60), 1943/44 (68) - der Schulbetrieb kam Ende Februar 1945 zum Erliegen.
Eine weitere Veränderung im Verwaltungsbereich brachte die preußische Verordnung über die Neugliederung von Landkreisen, die zur Sicherung des Haushalts, zur Vereinheitlichung der öffentlichen Verwaltung sowie zur besseren Verteilung und sparsamen Nutzung der Arbeitskräfte mit Wirkung vom 1. Oktober 1932 erlassen worden war. In diesem Zusammenhang kamen u.a. im Regierungsbezirk Wiesbaden vom Kreis Westerburg die Gemeinden Girod, Görgeshausen, Goldhausen, Großholbach, Heilberscheid, Hundsangen, Kleinholbach, Nentershausen, Niedererbach, Nomborn, Obererbach, Oberhausen, Pütschbach, Ruppach, Steinefrenz und Weroth zum Unterwesterwaldkreis (Sitz des Landrats in Montabaur); der Rest des Kreises Westerburg vereinigte sich mit dem Kreis Oberwesterwald (Sitz des Landrats in Westerburg).
Das unorganische Gebilde der preußischen Provinz Hessen-Nassau wurde im Jahre 1944 gesprengt und ein erweiterter Regierungsbezirk Wiesbaden als Provinz Nassau geschaffen. Die Zeitereignisse haben diese Entwicklung rasch überholt.
Die innere Verwaltungsgliederung des Landes Rheinland-Pfalz wurde in den Jahren 1966-1974 durch 18 Landesgesetze (zum Teil mit zusätzlichen Änderungs-Gesetzen) reformiert. Zunächst schrumpften die bisherigen 5 Regierungsbezirke Koblenz, Montabaur, Pfalz, Rheinhessen und Trier auf 3 zusammen, indem im Jahre 1968 Koblenz und Montabaur zu einem neuen Regierungsbezirk Koblenz (Sitz des Regierungspräsidenten in Koblenz) sowie Pfalz und Rheinhessen zu einem neuen Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz (Sitz des Regierungspräsidenten in Neustadt an der Weinstraße) vereinigt wurden, während der Regierungsbezirk Trier erhalten blieb.
Im Zuge der Verwaltungsreform kam es über den Zusammenschluss kleiner Gemeinden zur Bildung größerer Verbandsgemeinden und schließlich zur Vereinigung des Unterwesterwald- und des Oberwesterwaldkreises zum Westerwaldkreis:
Vereinigung von ca. 2700 Dörfern zu etwa 200 Verbandsgemeinden („Freiwilligkeitsphase" bis 31. Dezember 1971)
Zuordnung der Gemeinde Arzbach zur Verbandsgemeinde Bad Ems (Rhein-Lahn-Kreis) sowie der Gemeinden Eitelborn, Kadenbach, Neuhäusel und Simmern(1972: 636 Einwohner) nebst 20 weiteren Ortsgemeinden und der Stadt Montabaur als „Ortsgemeinde der Verbandsgemeinde Montabaur“ zur Verbandsgemeinde Montabaur im Westerwaldkreis, der größten ihrer Art in Rheinland-Pfalz (1972). Damit wurde die Bande der „Familie“ der Augstdörfer zerrissen (Mutter Arzbach hatte ihre Kinder verlassen)
Auflösung des Oberwesterwald- und des Unterwesterwaldkreises sowie Neubildung des Landkreises Westerwald mit Wirkung vom 16. März 1974; der Westerwaldkreis umfasst 10 Verbandsgemeinden (Sitz des Landrats in Montabaur).
Die „Chronik der Schule von Simmern“ dokumentiert folgende Schülerzahlen: 1946/47 (97), 1956 (64), 1965/66 (92), 1975/76 (76), 1985/86 (99). Mit einer (zweiten) Organisationsverfügung der Bezirksregierung Koblenz vom 6. Juni 1986 wurde die Grundschule Simmern, einschließlich ihrer Außenstelle in Kadenbach, „mit Ablauf des 31. Juli 1986 aufgehoben“. Die Schüler dieser Schule wurden ab 1. August 1986 der „organisatorisch verbundenen Grund- und Hauptschule Neuhäusel zugeordnet.“ Der letzte handschriftliche Eintrag in der Simmerner Schulchronik stammt von Schulleiter (Hauptlehrer) Franz Josef Petmecky (19. Juni 1986): „Heute ist mein letzter Tag an der Grundschule 5411 Simmern! Bei einem gemeinsamen Wandertag der 5 Klassen mit den Eltern zur Hüttenmühle haben mich Kinder, Eltern und Schulelternbeirat verabschiedet.“
Nach 1945 entwickelte sich Simmern von einem bis dahin immer noch landwirtschaftlich geprägten Dorf zu einer in ihrer Infrastruktur wesentlich verbesserten, im Naturpark Nassau gelegenen Wohn- und Naherholungsgemeinde im Großraum Koblenz-Neuwied (Simmern am 31. Dezember 2005: 1605 Einwohner).
Nachdem das verloren gegangene Holzkreuz des heutigen Barbarahofes, das an den gewaltsamen Tod des damaligen Pächters Heinrich Schneider (16. Januar 1799) erinnerte, bereits vor Jahren durch ein Wegkreuz (aus einer Eiche auf Simmerner Gemarkung) ersetzt und eingeweiht worden war, erhielt dieses Surrogat am 20. April 2000 noch eine entsprechende Hinweistafel. Am 18. Juni 2000 wurde Simmerns erneuerter Dorfplatz „Am Schulhoff“ als künftiger Dorfmittelpunkt eingeweiht; in ihn konnte ein historisches Kleindenkmal integriert werden, ein originärer Koblenzer Stadtkronenstein als ein Eck- und Grenzstein des ehemaligen rechtsrheinischen Koblenzer Stadtwaldes (partem marchie nostre iuxta Sevenburnen = einen Teil unserer Gemarkung [unseres Markwaldes] bei Simmern). Sowohl jene private als auch diese kommunale Initiative stehen in mittelbaren Zusammenhang mit den Aktivitäten des Erinnerungs- und Jubiläumsjahres 1998.[2]
Dr. Thomas Trumpp, Simmern, 28.März 2018
[2] Unveröffentlichte einschlägige Unterlagen (Quellen) vor allem im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, im Landeshauptarchiv Koblenz, in den Stadtarchiven Koblenz und Montabaur, im Fürstlich Wiedischen Archiv zu Neuwied, im Bistumsarchiv Trier, im Diözesanarchiv Limburg sowie in den Katholischen Pfarrämtern Niederberg und Neuhäusel. Neueste Literatur (veröffentlichte Unterlagen): Festschrift 800 Jahre Simmern, Beiträge zur Ortsgeschichte und Alltagskultur; Herausgeber: Ortsgemeinde Simmern, Redaktion: Thomas Trumpp, Sabine Hübner; Bad Ems 1998. Einschlägige Aufsätze über Simmern in den Zeitschriften: „Die Augst“ (vor allem Heft 9-1999, mit Simmern als Schwerpunkt); Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte; Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur; Wäller Heimat; Der Westerwald.